Paddeln auf der Livenza (Italien)
von Sacile bis Caorle

Bericht von Cornelia Kittinger


Blitzblauer Himmel, strahlender Sonnenschein und eine in kräftige Herbstfarben gekleidete Landschaft bereiteten uns Ende Oktober bei einem Besuch im Friaul-Julisch Venetien (Italien) einen wunderbaren Empfang. Das Ziel war den Fiume Livenza, ein 112 km langer Fluss im Nordosten Italiens, für eine Vereins-Pfingstfahrt zu erkunden.

Markus Stollnberger, Cornelia und Gerhard Kittinger

Die Livenza entspringt aus mehreren Karstquellen am Fuße des Monte Cavallo bei Polcenigo, durchquert in südöstlicher Richtung das Gebiet von Friaul-Julisch Venetien und mündet bei Porto Santa Margherita in der Nähe von Caorle in die Adria(1). Die knapp gefasste Beschreibung im Kanuführer ließ vermuten, dass es nicht einfach werden würde, Ein- bzw. Ausstiegsstellen zu finden. Doch gut ausgerüstet mit Straßenkarten, Apps und Reiseführer blickten wir unserem Vorhaben wohlgemut entgegen.
Für den Oberlauf der Livenza bis Sacile lag auch in unseren Unterlagen keine Beschreibung vor, so entschlossen wir uns zu einer Besichtigung per Auto und Fußmarsch und entdeckten ein wunderbares Quellgebiet. Die Entscheidung, die Kajaks nicht auszupacken, war richtig, da der Oberlauf nicht genug Wasser führte.

Gerhard und ich beschlossen für die erste Etappe oberhalb von Sacile einzusteigen und bis Portobuffolé (23 km) zu paddeln. Markus, ganz der Rennsportler, stellte das Auto in Portobuffolé ab und kam uns mit dem Kajak entgegen.

Die wunderbar gestaltete Einstiegstelle machte den Start einfach und wir genossen bei Sonnenschein und blauem Himmel die Fahrt durch die Altstadt von Sacile. Doch leider dauerte unser Glück nicht lange, denn lautes Rauschen ließ uns bei nächster Gelegenheit aussteigen und dem verdächtigen Geräusch nachgehen. Es stellte sich heraus, dass sich die Livenza beim Durchfluss durch Sacile in verschiedene Kanäle aufteilt, welche jeweils durch ein Wehr abgeschlossen sind und daher ein Weiterfahren unmöglich machen. Leider waren die Wehre und Kanäle in keiner Karte und in keiner App eingezeichnet. So schulterten wir unser Kajak und wanderten durch den Ort, um weiter unterhalb unsere Tour fortzusetzen. Die verwunderten Blicke der Passanten und Kaffeehausbesucher begleiteten unsere Wanderung durch den Ort. Die Weiterfahrt entschädigte uns aber rasch für diesen unfreiwilligen Fußmarsch.
Eine wunderbare Landschaft zog an uns vorbei – verfärbte Bäume und Hecken und Ausblicke auf eine gepflegte Kulturlandschaft erfreuten unser Auge. Die Livenza fließt im oberen Abschnitt rasch und macht ihrem lateinischen Namen Liquentia (vom lateinischen liquere - flüssig sein) alle Ehre. Plötzlich auftauchende gurgelnde Stromschnellen und Schotterbänke, die die Fahrrinne verengten und uns unter herabhängende Äste zwangen, hielten einige Überraschungen für uns bereit, die uns durch die Länge des Zweier-Kanus fahrtechnisch herausforderten. Bereits auf halber Strecke kam uns Markus entgegen und wir genossen stromab gemeinsam die Fahrt durch die wunderbare Herbstlandschaft. In diesem oberen Flussabschnitt verführen perfekte Ausstiegsstellen zum Verweilen.

Die Livenza hatte bereits in der Römerzeit für die Entwicklung der Städte und Dörfer eine fundamentale Bedeutung. Ihre Ufer luden schon damals zur Besiedelung und als Treffpunkt verschiedener Kulturen ein. Die Liquentia verband die römische Stadt Oderzo (Opitergium) mit Caorle (Caprulae) und seinen römischen Hafen Portus Raetium. Auch das Ziel unserer ersten Etappe, Portobuffolé, hatte in der Römerzeit als venezianischer Handelshafen eine große Bedeutung. Doch davon ist heute nichts mehr zu erkennen.(2)

Unsere zweite Etappe führte uns von Portobuffolé bis Motta di Livenza (28 km). Auch diesmal paddelte uns Markus stromauf entgegen. Die Livenza wird in diesem Abschnitt breiter, fließt etwas langsamer und sie beginnt sich nun immer tiefer in ihr Flussbett einzugraben. Hohe Dämme und Uferbefestigungen sollen die naheliegenden Ortschaften vor Hochwasser schützen. Leider wird durch das tiefe Bachbett auch die Aussicht auf die Landschaft eingeschränkt. Verwöhnte uns der Vortag noch mit lauschigen Rastplätzen, machten nun verwachsene steile Uferhänge das Aussteigen fast unmöglich! Wir balancierten auf taschentuchgroßen Erdfleckchen, um unsere Sitzmuskulatur zu entspannen und verschoben unter diesen Voraussetzungen die Pause auf das Etappenziel. So wurde uns im Laufe des Tages klar, dass dieses Revier für eine Unternehmung mit einer größeren Gruppe nicht geeignet ist.

Stark verwachsene Uferböschungen machen ein Aussteigen fast unmöglich Schließlich erreichten wir unser Tagesziel Motta di Livenza. Die Stadt durchzieht ein Kanal, der von der Livenza gespeist und von zwei großen Schleusentoren reguliert wird. Da uns der Kanal mit seiner Wasserqualität nicht überzeugte, entschlossen wir uns, vor dem Schleusentor auszusteigen. Ein Fußmarsch durch das historische Stadtzentrum mit Gebäuden aus dem Mittelalter bis zur Renaissance und der Kathedrale San Nicola aus dem 14. Jahrhundert entspannte unsere beanspruchte Muskulatur.

Die Stecke von Motta di Livenza bis Torre di Mosto (16 km) erkundeten wir mit dem Auto, da dieser Abschnitt nach unserer Ansicht keine landschaftlichen Höhepunkte versprach. Der Fluss präsentierte sich hier ebenfalls tief in seinem Bett eingegraben, träge dahin schlängelnd mit steilen, stark verwachsenen und befestigten Uferböschungen.
Einen einigermaßen geeigneten Einstieg für unsere letzte Etappe fanden wir in Torre di Mosto. Diesmal startete Markus stromab und wir paddelten ihm von Caorle aus entgegen (28 km).
Die Livenza fließt in diesem Abschnitt zügig, sie wird breiter und die stark verwachsenen Uferböschungen weichen Schilfgürteln. Kurze Rastpausen sind auch auf diesem Abschnitt nur schwer möglich, da Ein- bzw. Ausstiegsstellen rar gesät sind.
Die Nähe zum Meer ließ sich bereits erkennen: Möwen begleiteten uns, die Ufer säumen Fischerboote, Netze an großen Auslegern spannen sich über den Fluss und wir spürten, dass die Strömung stärker wurde. Die Ebbe kündigte sich an und beschleunigte daher unsere Fahrt Richtung Mündung. Es war Sonntag und viele Segel- und Motorboote nützten das schöne Herbstwetter für einen Ausflug. Die Fahrt Richtung Mündung entwickelte sich für uns sogar zu einer Wettfahrt mit den langsam tuckernden Booten. Unser Ziel war die Ausfahrt in die Adria und der Strand hinter dem Wellenbrecher. Die Motorboote und die Dünung gestalteten für uns die letzten Meter zum Strand sehr sportlich und wir erreichten gut gelaunt mit viel Adrenalin im Blut unser Ziel.
Mit einem Spaziergang durch Caorle und einem fantastischen Mittagessen ließen wir unsere Tour ausklingen. Wir blicken zurück auf eine wunderbare Fahrt bei Bilderbuchwetter und italienischem Flair. Schweren Herzens müssen wir leider unseren Plan, diese Reise als Vereins-Pfingstfahrt durchzuführen, verwerfen.